Tanganjika-Traum-Aquarium
Zur Vergesellschaftung von Tanganjikaseebuntbarschen. Teil 2
Wenn ich im folgenden einige Buntbarschgesellschaften von Tanganjikasee-Cichliden beschreibe, wie ich sie im in Teil 1 beschriebenen Sinne erfolgreich gepflegt habe, so werden daraus hoffentlich nützliche Schlussfolgerungen für die Praxis möglich sein, als reproduzierbare Rezepte können meine Anmerkungen aber nicht einfach genommen werden, denn so etwas gibt es ja, streng genommen, in der Aquaristik eigentlich gar nicht.
In einem der Aquarien in meinem Keller, das immer wieder das Interesse und die Bewunderung aller Besucher auf sich zieht, sind vor allem die Ideen und Erfahrungen eines guten Freundes und aquaristischen Mitstreiters, Michael Prädel, verwirklicht. Sein Verdienst ist es vor allem, wenn dieses Aquarium nicht nur kontinuierlich "funktioniert", sondern darüber hinaus eine Augenweide für den Betrachter darstellt.
Veränderungen an diesem Becken in den letzten fünf Jahren sind nie solche gewesen, die aus Problemen heraus notwendig geworden wären, sondern immer solche, die wir aus unserem Wunsch nach Variation mutwillig vorgenommen haben. Dabei sind nacheinander sogar zwei "Idealbesetzungen" herausgekommen, die nachzuahmen sicherlich einen Versuch wert wäre. Das Aquarium, um das es sich dabei handelt, ist 110 cm lang, 70 cm tief und 50 hoch. Ein eingeklebter Innenfilter mit etwa 40 Litern Inhalt ist mit grober grüner Filterwatte und mit großporigem blauem Filterschwamm gefüllt und wird mit einer eher kleinen Tauchkreiselpumpe betrieben. Der Hintergrund und eine Seitenwand sind bis zur Oberfläche mit Lavagestein zugebaut, der Bodengrund besteht aus sehr feinem Rheinsand. Auf dem Lavagestein aufsitzend, wächst eine ziemlich großblättrige Anubiasart an verschiedenen Stellen. Auf dem Boden und teils das Lavagestein hinaufwachsend findet sich ein großes Büschel Javamoos, das immer wieder reduziert werden muss. Der ph-Wert des Wassers liegt bei 8, die Härte bei 12 Grad dGh, die Temperatur schwankt um 26 Grad. Die erste Besatzung, die dieses Aquarium lange Zeit ohne Anzeichen irgendwelcher Probleme bewohnte, bestand aus etwa einem Dutzend Cyprichromis leptosoma "malasa", die das freie Wasser bewohnten, einem Pärchen Tanganjika-Clowns, Eretmodus cyanostictus, die sich vorzugsweise in den Steinaufbauten aufhielten, und einem Pärchen Schneckenbuntbarsche, L. ocellatus, für die kurz hinter der Frontscheibe etwa 4 bis 5 Weinbergschneckengehäuse zur Verfügung standen. Als besonderes Zeichen der gelungenen Kombination dieser drei Arten wertete ich immer die Tatsache, dass alle drei Arten sich in dieser Umgebung erfolgreich fortpflanzten. Das bedeutet, auch ohne schützende Maßnahmen meinerseits laichten alle drei Arten erfolgreich ab, und es konnte jeweils ein gewisser Teil ihrer Brut in dieser Umgebung heranwachsen.
Die maulbrütenden Kärpflingscichliden und Tanganjika-Grundelbuntbarsche entließen ihre Jungen ohne große Bedenken in geschützten Bereichen des Aquariums, die jungen Schneckenbuntbarsche wurden, wenn eine neue Brut freischwamm, von ihren Eltern aus der unmittelbaren Nähe der Schneckenhäuser verjagt, konnten aber bis zu einer Größe von über 1 cm im Aquarium bleiben. Unter diesen Umständen blieb die einzige regulierende Maßnahme, die sich als notwendig erwies, etwa alle halbe Jahre das Herausfangen der zu groß werdenden Jungfische. Die reine Experimentierlust veranlasste mich nach mehr als drei Jahren diese "eingespielte" Besetzung zu verändern. Die Rolle der Schneckencichliden, die die Sandfläche im Vordergrund beleben sollten, übernahmen an Stelle des L. ocellatus-Pärchens nun das Trio Neolamprologus multifasciatus, das ich (siehe oben) aus dem Frontosa-Becken hatte retten können. Als Bewohner des freien Wasserraums setzte ich 8 Lamprichthys tanganicanus (3 Männchen, 5 Weibchen) ein. Das Eretmodus-Paar verblieb im Aquarium und neu hinzu kamen ein Trio Aulonocranus dewindtii, dessen zwei Männchen von nun an fleißig ihre Krater vor der Lavasteinwand bauten. Auch diese Kombination harmoniert bis heute prächtig. Die Schneckencichliden haben sich innerhalb eines 3/4 Jahres wieder zu einer richtigen Kolonie vermehrt, die Aulonocranus vermehren sich regelmäßig, die Weibchen müssen aber für eine erfolgreiche Zucht nach etwa 10 Tagen zur Vollendung ihrer Maulbrutpflege in ein separates Aquarium gesetzt werden.
Die Grundelbuntbarsche züchten weiterhin gelegentlich im Gesellschaftsbecken und nur die Tanganjikakillis müssen für eine erfolgreiche Zucht in spezielle Ablaichbecken umgesetzt werden. An diesem Aquarium zeigt sich vielleicht am deutlichsten die wahrscheinlich wichtigste Regel für die Einrichtung und Besetzung eines Tanganjikaseegesellschaftsaquariums: durch die Einrichtung müssen verschiedenartige Lebensräume geschaffen werden und diese müssen dann mit passenden Arten spärlich besetzt werden. Die Zurückhaltung bei der Menge der einzusetzenden Fische ist dabei genauso wichtig wie das Geschick bei der Zuordnung der Arten zu den Lebensräumen. Steinaufbauten, Sandfläche, freies Wasser, jeder dieser Bereiche sollte mit Leben erfüllt sein, damit auch die Ansprüche des Betrachters an ein solches Aquarium erfüllt werden.
Zur Belebung des freien Wasserraumes stellen sich nur wenige Arten zur Auswahl, denn entweder nur L. tanganicanus oder die Kärpflingscichliden der Gattungen Cyprichromis und Paracyprichromis halten sich regelmäßig in diesem Lebensraum auf. Die Sandfläche kann entweder von Sandcichliden der Gattungen Xenotilapia, Enantiopus oder z.B. Ectodus bewohnt werden, oder aber von Schneckenbuntbarschen, für die die oben genannten Arten ja nur besonders populäre Beispiele sind. Eine Kombination dieser beiden Gruppen habe ich bisher wohlweislich noch nicht versucht. Ich meine, dass sie wenig Aussicht auf Erfolg hat, es sei denn, in sehr großen Aquarien. Die Felsenregion eines Aquariums kann sehr vielfältig besetzt werden, wobei diese Vielfalt auch ihre besonderen Risiken mit sich bringt.
Je nach Gesellschaft können dort aufwuchsfressende Maulbrüter, z.B. Tropheus, oder räuberische, fleisch- und fischfressende Arten leben, entweder Maulbrüter, z.B. Frontosa oder Höhlenbrüter, z.B. größere Neolamprologus. Eine solche Kombination existiert bei mir auch schon über mehrere Jahre in einem 130 cm-Aquarium (Tiefe 70 cm, Höhe 50 cm), in dem 1/3 C. frontosa mit 4 adulten Neolamprologus obscurus zusammenleben. Während die jungen Neolamprologus ungefährdet aufwachsen können, setze ich die Frontosa-Weibchen regelmäßig in kleinere Becken, wenn sie Maulbrutpflege betreiben.
Weitere erfolgreiche oder erfolgversprechende Vergesellschaftungsvarianten, mit denen ich über längere Zeit positive Erfahrungen sammeln konnte, sehen z.B. so aus: für ein "typisches Tropheus-Aquarium" je nach Beckengröße 1 oder 2 Tropheus-Arten oder -Varianten (vorzugsweise 1 T. moorii-Rasse mit T. duboisi oder 1 nördliche und eine südliche Rasse), dazu 1 bis 2 Paare aus den Gattungen Julidochromis, Telmatochromis oder von den kleineren Neolamprologus, wie z.B. N. caudopunctatus. Eine interessante Variante, die sich bei mir aber noch in der Phase der Erprobung befindet, ist es, die Sandfläche eines solchen Tropheusaquariums mit Ectodus descampsi oder sogar mit robusten Sandcichliden wie X. flavipinnis zu bevölkern. Über dieses bisher sehr erfolgreich verlaufende Experiment werde ich frühestens in einem Jahr ein einigermaßen fundiertes Urteil abgeben können.
Während bei den vorher beschriebenen Gesellschaften alle Arten in etwa von gleicher Bedeutung waren, sind in einem Aquarium wie es zuletzt beschrieben wurde die Tropheus die "Leitart" und die übrigen "schmückendes Beiwerk". Damit ist ein weiteres wichtiges Prinzip für Vergesellschaftungen angesprochen, die den Gesamtcharakter eines Gesellschaftsaquariums enorm beeinflusst. Dies ist die Frage, ob eine Fischart die Eigenart der Gemeinschaft bestimmt und beherrscht und alle anderen "nur" Begleitfische sind oder ob alle Arten in weitgehend gleichem Maße zu dem Gesamteindruck beitragen, den das Aquarium hinterlässt. Streng gesehen könnte man ja so weit gehen, nur den letzten Typ als wirklich ideales Gesellschaftsaquarium zu betrachten.
Eine weitere Gesellschaft, mit der ich bisher schon über längere Zeit gute Erfahrungen gemacht habe, ist eine aus verschiedenen Sandcichliden der Gattung Xenotilapia. X. species "Ndole" sind Fische, die sich fast ausschließlich auf dem Sand aufhalten. X. spilopterus dagegen, obwohl ebenso als Sandcichlide bezeichnet, zeigt eine viel größere Neigung, sich in höheren Wasserbereichen, vor oder nahe bei Steinaufbauten aufzuhalten. Ähnliches gilt für die schon erwähnten X. flavipinnis, deren bevorzugter Aufenthaltsort aber weiträumige Höhlen im Bodenbereich von Steinaufbauten zu sein scheinen. Ich habe bisher mit Erfolg X. spec. "Ndole" einerseits mit X. flavipinnis vergesellschaftet, andererseits aber auch mit X. spilopterus. Ich bin überzeugt, daß eine Vergesellschaftung aller drei Arten in einem größeren Aquarium (ab 150 cm) große Aussichten auf Erfolg hätte.
Die Beschreibung eines eher verblüffenden Erfolges mit einer Vergesellschaftung soll diesen Reigen beschließen. Verblüffend deshalb, weil er in mancherlei Hinsicht den hier erläuterten Prinzipien zuwiderläuft und eigentlich gar nicht hätte zustande kommen dürfen. Es handelte sich wohl eher um einen Glücksfall, bei dem sich aus einem labilen Gleichgewicht nach einer gewissen Dauer eine durchaus stabile Gemeinschaft ergab. Ich war aus Platzgründen gezwungen, drei adulte Paare mittelgroßer Neolamprogusarten in einem 1 Meter-Aquarium mit 250 Litern Inhalt zusammen zu setzen. Es handelte sich um je 1 Paar Neolamprologus sexfasciatus "Golden Tansania", Neolamprologus tetracanthus (südliche Variante) und Lamprologus callipterus. Bis auf das Weibchen der letzten Art, das nur 4 cm maß, hatten alle anderen Fische eine Körperlänge von annähernd 15 cm, ein durchaus beeindruckendes Aggressionspotential für ein 100 cm-Aquarium also. Das Becken wurde so eingerichtet, dass sich rechts und links jeweils ein Steinaufbau für die Höhlenbrüter befand und in der Mitte dazwischen ein Sandrevier für die L. callipterus, deren Weibchen sich ja als Schneckenbuntbarsch verhält. Trotz häufiger und heftiger Aggressionen, insbesondere wenn eines der Pärchen balzte, ablaichte und Junge führte, kam es nie zu einem Zusammenbruch des Gleichgewichts der Kräfte, das zwischen diesen Pärchen bestand. Erfolge dieser Art lassen sich natürlich nicht wiederholen. Sie verdeutlichen eher noch wie vielen verschiedenen Einschränkungen die Vergesellschaftung von Fischen normalerweise unterworfen ist. Die Unwägbarkeit von Vergesellschaftungen wird ja selten deutlicher als wenn eine solche Zusammenstellung wider alle Wahrscheinlichkeiten bestens gelingt.
Immer wieder wird deutlich, dass derjenige Aquarianer, der die Vergesellschaftung von Tanganjikasee-Buntbarschen in dem Sinne versucht, wie hier beschrieben, ein gehöriges Maß an Erfahrung und eine gute Beobachtungsgabe benötigt. Er muss die Phantasie besitzen, neue Kombinationen zusammenstellen zu wollen, aber auch die Geduld, ihr Gelingen über lange Zeiten hinweg zu überprüfen. Er muss Parallelen erkennen und übertragen können, ohne zu vergessen, dass manchmal schon die kleinsten Kleinigkeiten alle Vergleichbarkeiten über den Haufen werfen. Er muss vor allem interessiert sein an einer Art von Aquaristik, die nicht das Neueste und immer wieder Veränderte favorisiert, sondern die sich faszinieren lässt von der Möglichkeit Einblick zu erhalten in das Regelwerk der Natur, und wenn es auch auf einer noch so einfachen Ebene ist. Für die Naturforscher unter den Aquarianern ist die Vergesellschaftung von Zierfischen ein vielfältiges, spannendes und noch wenig erschlossenes Beobachtungsfeld. Dies gilt für die Vergesellschaftung von Tanganjikasee-Buntbarschen ebenso wie für andere Buntbarsche, aber auch für Zierfische aus allen anderen Familien.
(Dieser Text entstand vor einer ganzen Reihe von Jahren. Keine der hier beschriebenen Vergesellschaftungen von Tanganjikasee-Cichliden existiert heute noch. Anfragen, ob ich noch Nachzuchten von hier genannten Arten abgeben könnte, machen also keinen Sinn. )