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Aquaristik und Reisen

Große Klappe, hohe Stirn

Der Stromschnellencichlide Steatocranus tinanti


Stromschnellencichliden sind Fische, die an einen extremen Lebensraum angepasst sind. Das Wasser um sie herum fließt schnell und kraftvoll und droht ständig sie wegzutreiben oder gegen Steine zu schleudern. Um in dieser feindseligen Umgebung überleben zu können haben solche Arten eine zurückgebildete oder gar keine Schwimmblase mehr und leben stark bodengebunden. Nur selten schwimmen sie blitzartig ins freie Wasser, z.B. um Futter zu ergreifen, kehren aber genau so schnell zum Boden zurück. Sie bewohnen Höhlen, in denen sie vor der Kraft des Wassers geschützt sind. Dort legen sie auch ihre Eier ab und betreuen ihren Nachwuchs in der Anfangszeit.


Nahe und ferne Verwandte
Außer Steatocranus tinanti gibt es noch eine Reihe anderer Stromschnellencichliden aus Westafrika, von denen allerdings nur der Buckelkopfbuntbarsch, Steatocranus casuarius, ein  bekannter Aquarienfisch ist. S. ubanguiensis ist mit bis zu 7 cm Länge eine kleiner bleibende Art. Die meisten dieser Buntbarsche sind wenig farbenprächtig, aber wegen ihres interessanten Verhaltens sind die kleineren Arten auch als Mitbewohner eines Gesellschaftsaquariums durchaus zu empfehlen. Obwohl sie Höhlenbewohner sind, hält sich ihre Grabetätigkeit in Grenzen und auch die Aquarienbepflanzung bleibt meist von ihnen unbehelligt.


Stromschnellencichliden brauchen Höhlen
Nicht nur wenn sie sich fortpflanzen wollen, sondern auch sonst halten sich Steatocranus tinanti gerne in Höhlen auf. Bei der Einrichtung des Aquariums sollten wir ihnen verschiedene Höhlen so anbieten, daß wir später gute Beobachtungsmöglichkeiten haben. Zur Auswahl kann man flache Höhlen aus aufeinandergelegten Steinen bauen, oder aber halbierte, gereinigte und ausgekochte Kokosnußschalen oder kleinere Blumentöpfe mit einer Einschlupföffnung versehen und sie an einer geschützten Stelle gut einsehbar platzieren.

Eine dezente Schönheit aus Westafrika
Steatocranus tinanti ist keine besonders farbenprächtige, aber dennoch eine imposante Erscheinung. Das außergewöhnlich große Maul, die großen Augen und der Stirnbuckel verleihen den Fischen ein unverwechselbares Profil. Die Färbung des Körpers ist schlicht beige und grau, aber vor allem auf dem Kopf und dem Rücken machen orange und gold glänzende Partien die Fische zu attraktiven Erscheinungen. Männchen werden deutlich größer (bis 12 cm) als die Weibchen und der Stirnbuckel ist bei ihnen erheblich stärker ausgeprägt. Die Rückenflosse ist bei beiden Geschlechtern lang ausgezogen, bei den Männchen reicht sie bis weit über die Schwanzflosse hinaus.


„Strömungsliebende“ (rheophile) Buntbarsche
Die ungewöhnliche Körperform und das besondere Verhalten von Fischen, die an das Leben in Stromschnellen angepasst sind bieten sehr interessante Beobachtungsmöglichkeiten, wie auch bei Teleogramma brichardi, einem weiteren typischen  Stromschnellencichliden. Sie halten fast ständig Kontakt mit dem Untergrund, auf dem sie sich mit ihren Bauchflossen abstützen. Bevor sie losschwimmen, bringen sie sich eine Startposition, indem sie heftig mit den Brustflossen wedelnd, knapp über dem Boden schweben. Sie schießen dann ruckartig los, um dann wieder auf der Stelle zu verharren. Nach oben schwimmen sie dabei nur, wenn sie dort Futter ergreifen wollen. Gelegentliche Jagereien unter den Tieren haben fast immer einen harmlosen Charakter. Auch anderen Fischen gegenüber bleiben sie friedlich, verteidigen aber ihr Brutrevier energisch. S. tinanti halten sich zwar gerne in Höhlen und anderen Unterständen auf, im Gegensatz zu manchen anderen Arten von Stromschnellencichliden führen sie kein allzu verstecktes Leben.

Gruppe oder Pärchen?
Wie bei vielen Buntbarscharten gibt es auch bei S. tinanti zwei Möglichkeiten des Beginns. Geduldige Aquarianer werden versuchen eine Gruppe von Jungtieren (5 bis 6) zu erhalten und werden diese gemeinsam aufwachsen lassen. Zu Beginn der Geschlechtsreife finden sich dann meist Pärchen, die sich von den anderen  absondern und sich fortpflanzen. Da S. tinanti nur selten als Jungfische, sondern meist als Importtiere angeboten werden, sollte man versuchen, ein (oder zwei) Pärchen zu erwerben. Da die Geschlechtsunterschiede recht deutlich sind, ist dies leicht möglich. Beobachtet man die Fische Im Aquarium des Zoogeschäftes sorgfältig, ist es oft sogar möglich, Pärchen zu erwerben, die sich bereits deutlich zueinander hingezogen fühlen.


Vergesellschaftung
Das Aquarium, in dem wir S. tinanti pflegen wollen, sollte eine möglichst große Bodenfläche haben. Die Höhe ist dagegen weniger wichtig, es sei denn wir pflegen die Stromschnellencichliden zusammen mit anderen Fischen, die den mittleren und oberen Wasserbereich bewohnen. Dies ist ohne weiteres möglich, denn S. tinanti leben so bodengebunden, daß sie von weiter oben schwimmenden Fischen nur wenig Notiz nehmen. Da sie auch Pflanzen kaum schädigen, können wir diese Buntbarsche als interessante Bodenbewohner in einem Gesellschaftsaquarium oder Schaubecken (ab 120 cm Länge) zusammen mit größeren Salmlern (z. B. Kongosalmlern) pflegen, wenn wir ihnen dort genügend Versteckmöglichkeiten bieten. Ein Artenaquarium, in dem wir nur ein harmonierendes Pärchen der Art zur Vermehrung einsetzen, braucht nur 80 cm lang zu sein. Als Höhe genügen dann 30 cm, während die Tiefe möglichst 40 cm betragen sollte. Das Wasser sollte neutral (um pH-Wert 7) oder leicht sauer  bis (pH 6,5), möglichst nicht alkalisch sein.


Balz und Vermehrung
Fühlen die Fische sich wohl und werden gut ernährt, wird das Weibchen schon bald auch einen deutlichen Bauchansatz zeigen, der sein Laichreife signalisiert. Das Pärchen hält sich immer häufiger in der Nähe und dann in der bevorzugten Höhle auf. Wird dann das Männchen vom Weibchen aus der unmittelbaren Nähe der Bruthöhle vertrieben und verteidigt deren Umgebung, dann haben die Fische vermutlich abgelaicht. Die 30 bis 60 Eier, die abgelegt werden, sind mit rund 2 mm Länge recht groß. Die Larven schlüpfen nach etwa einer Woche. Die Jungfische sind bereits erstaunlich groß, wenn sie die Höhle zum ersten Mal verlassen. Sie fressen Artemia-Nauplien und feines Trockenfutter und wachsen schnell. Sie besetzen schon kleine Territorien, die sie gegeneinander in spielerischen Gefechten verteidigen.