Zur Fortpflanzungsbiologie von Vieraugenfischen
von Georg Zurlo
Zusammenfassung
Die allgemein bekannten Fakten der Fortpflanzungsbiologie der Vieraugenfische und einige Forschungsergebnisse zu Einzelaspekten werden referiert. Die Afterflosse der Männchen verlängert, verdickt und verdreht sich im Wachstum und bildet so ein seitenspezialisiertes Begattungsorgan. Eine Seitenspezialisierung findet sich auch bei den Geschlechtsöffnungen der Weibchen, die darüber hinaus nur unmittelbar nach einer Geburt geöffnet vorgefunden werden. Die Fortpflanzungsbereitschaft der Fische schwankt jahreszeitlich und ist zwischen März und Juni am höchsten. Die Embryonen entwickeln einen „Bauchsack" (keinen Dottersack), der mit seinen inneren und äußeren Oberflächen die Versorgung der Embryonen mit Nährstoffen und mit Sauerstoff verbessert. Voraussetzungen für die regelmäßige Zucht von A. anableps sind: eine größere Zahl von Zuchttieren, große Aquarien, häufige, starke Wasserwechsel und Isolierung der trächtigen Weibchen.
Summary
General knowledge of the reproductive biology of the four-eyed-fishes and some specialised studies on this subject are summarized. The anal fin of the male grows longer, thickens and twists, thus forming a copulatory organ with a lateral specialisation. This specialisation can also be found in the female's genital pore, which has also only been found open in females that have given birth a short time before. There is seasonal Variation in the reproductive activities with a peak in March to June. Embryos develop a "belly sac" (not a yolk sac), which improves their supply of nutrients and oxygen. Conditions to breed A. anableps successfully and regularly are: a larger number of fish, spacious aquaria, frequent change of large amounts of water and the isolation of the gravid females.
1. Einleitung
Vieraugenfische stammen aus den Küstengewässern Mittelamerikas und des nördlichen Südamerikas. Ihr Lebensraum ist im allgemeinen das Brackwasser von Flussmündungen, nur selten auch das Süßwasser weiter oberhalb dieser Mündungen. Sie halten sich fast ausschließlich unmittelbar an der Oberfläche auf und sind gekennzeichnet durch die besonderen Eigenschaften ihrer Augen, die ihnen ihren deutschen Namen eintrugen (OTT 1978, MEYER & al. 1985, ZURLO 1985a, 1985b). Ihre Augen sind durch ein Septum, ein Querband, in eine obere und eine untere Hälfte geteilt, was es den Fischen ermöglicht, über und unter Wasser gleichzeitig zu sehen (Abb. 1).
Aus einer ganzen Reihe von Gründen zählen die Vieraugenfische für mich zu den bei weitem faszinierendsten Fischen, die in Aquarien gehalten werden können. Berichte über die drei Arten dieser Gattung von lebendgebärenden Fischen finden sich sowohl in der aquaristischen als auch in der wissenschaftlichen Literatur nur sporadisch (BURNS & FLORES 1981, BURNS 1991, JAUCH 1987, OTT 1978, TAYLOR 1980, TURNER 1938, 1940, 1950, ZURLO 1985a, 1985b). Der Kenntnisstand über sie ist in Einzelbereichen erstaunlich, insgesamt aber doch eher lückenhaft und alles andere als umfassend. Ich werde im Folgenden die Fortpflanzung von A. anableps und A. dowi unter drei verschiedenen Gesichtspunkten betrachten. Eventuelle Unterschiede zwischen den Arten werden dabei, soweit das zulässig erscheint, vernachlässigt.
- Erstens sollen die die allgemeinen und grundlegenden Kenntnisse der Fortpflanzungsbiologie der Anableps-Arten kurz dargestellt werden.
- Zweitens werden Auszüge aus den vorhandenen wissenschaftlichen Einzelarbeiten zur Fortpflanzung der Vieraugenfische referiert.
- Drittens berichte ich über meine eigenen Erfahrungen mit der Pflege und Zucht dieser Fische und vergleiche diese mit einem anderen Zucht- und Erfahrungsbericht.
2. Grundlagen der Fortpflanzungsbiologie der Vieraugenfische
Vieraugenfische werden mit einer Körperlänge zwischen etwa 4 und 6 cm geboren. Allen drei Arten gemeinsam ist es, dass bei einer Größe von 7 bis 10 cm Geschlechtsunterschiede noch nicht oder nur ansatzweise zu erkennen sind. Alle Jungtiere haben bis zum Eintreten der Geschlechtsreife eine normale Afterflosse, die bei den weiblichen Tieren zwar wachstumsbedingte Veränderungen durchmacht, in ihrer Grundstruktur aber unmodifiziert erhalten bleibt. Im Verlauf der Entwicklung zum geschlechtsreifen Tier wird bei den Männchen aus der Afterflosse durch Veränderungen der Flossenstrahlen ein röhrenähnliches Begattungsorgan (Abb. 2).
Wie das Gonopodium der lebendgebärenden Zahnkarpfen dient auch das Begattungsorgan der Anableps-Männchen der Übertragung der Spermien während der Kopulation. Dieses Organ der männlichen Vieraugenfische ist gelenkig und kann gebogen werden, allerdings bei jedem Tier nur in eine Richtung, entweder zur rechten oder zur linken Seite. Die Geschlechtsöffnung der Weibchen ist ebenfalls zu einer Seite hin verlagert und so beschaffen, dass eine Begattung und erfolgreiche Kopulation nur von einer Seite her und nur bei einer entsprechenden Partnerkombination erfolgen kann. Hat auf diese Weise eine erfolgreiche Paarung stattgefunden, so erfolgt nach einer Trächtigkeitsdauer von mehr als drei Monaten die Geburt der Jungtiere, deren Zahl zwischen einem einzigen und 40 schwanken kann.
3. Spezielle Aspekte der Fortpflanzung der Vieraugenfische
Zu einigen Aspekten der Fortpflanzungsbiologie der Vieraugenfische liegen recht detaillierte Untersuchungen vor.
3.1 Die Entwicklung der Afterflosse
Die Strahlen der unmodifizierten Afterflosse bei jungen Tieren von ca. 5 cm sind bei beiden Geschlechtern nur wenig gegliedert, wenig segmentiert und kaum verdickt (TURNER 1950). Die Flossenstrahlen der Analis erwachsener weiblicher Tiere zeigen sich demgegenüber deutlich stärker gegliedert, segmentiert und verdickt. Diese Veränderungen stellen aber nur die normalen Wachstumsveränderungen einer in ihren Grundstrukturen gleich gebliebenen Flosse dar.
BURNS (1991) verdeutlicht in Abbildungen die Entwicklung des Gonopodiums von A. dowi. Er zeigt auf, dass die vorderen Flossenstrahlen geringere Abstände voneinander bekommen und alle Flossenstrahlen eine stärkere Krümmung aufweisen, dass eine „allgemeine Verlängerung und Verdickung aller Flossenstrahlen und eine allmähliche Überlappung der Strahlen l bis 10 ein furchenförmiges Gebilde" (Übersetzung von mir) entstehen lassen. Die ersten Stadien dieser Veränderungen lassen sich vom erfahrenen Pfleger und Züchter von Vieraugenfischen an den vorderen Afterflossenstrahlen lebender halbwüchsiger Fische auch mit bloßem Auge als „leichte Verdickung und Dunkelfärbung" (ZURLO 1985b) erkennen.
Nach TURNER (1950) sieht der Endzustand dieser Entwicklung so aus (Abb. 3):
- die Strahlen 2 bis 5 der Afterflosse sind länger, die übrigen dagegen verkürzt;
- die Strahlen 2 bis 5 sind verbreitert, „wie eine Messerklinge", wobei 2 am stärksten verbreitert ist und dies bis zu 5 hin abnimmt; auf diesen Strahlen entwickeln sich Verdickungen;
- durch unterschiedliches Wachstum der linken und rechten Strahlenhälfte, außer an der Basis, wird das Gonopodium seitlich verdreht;
- die vorderen Interhämalstrahlen zwischen Afterflosse und Wirbelsäule sind deutlich vergrößert und eine flügelförmige Ausformung des ersten Strahls vereinigt sich mit den dahinterliegenden Strahlen zu einem massiven Gebilde.
Diese Veränderungen bilden die Knochenstruktur, die den „Unterbau" des röhrenförmigen Begattungsorgans darstellt.
3.2 Schwankungen der Fortpflanzungsbereitschaft
BURNS & FLORES (1981) hatten bereits die jahreszeitlichen Schwankungen der Fortpflanzung von A. dowi untersucht, und dabei zwei möglicherweise auch für die Zucht bedeutsame Feststellungen getroffen:
1) die relative Größe der Hoden (hier als Maß der Fortpflanzungsbereitschaft genommen) der geschlechtsreifen Männchen (mit Hilfe eines speziellen Index gemessen und berechnet) zeigt eine deutliche Spitze in den Monaten März bis Juni, mit Höchstwerten im Mai. Grundsätzliche Fortpflanzungsbereitschaft besteht aber ganzjährig.
Die beiden Autoren beobachteten zudem jahreszeitliche Schwankungen der Zahl der geborenen Jungtiere. Die höchsten Zahlen wurden in den gleichen Monaten festgestellt, in denen die Männchen besonders fortpflanzungsbereit waren. Von verschiedenen Umweltfaktoren konnte dabei nur für die Tageslänge eine statistisch signifikante Korrelation hergestellt werden. Zeiten erhöhter Fortpflanzungsaktivität konnte ich bei der Aquarienhaltung, auch auf Grund der relativ kleinen Zahl an gehaltenen Fischen, nicht beobachten. Die in der Natur beobachtete erhöhte Fortpflanzungsaktivität im Sommer konnte in der Wilhelma, Stuttgart ebenfalls beobachtet werden (JAUCH 1987), es kamen aber andere Phasen verstärkter sexueller Aktivität hinzu, vermutlich auf Grund der konstant gehaltenen Beleuchtungsdauer.
2) Männchen einer von BURNS & FLORES (1981) ebenfalls untersuchten Süßwasserpopulation von A. dowi erreichten die sexuelle Reife etwas früher als solche aus der Brackwasserpopulation.
BURNS & FLORES (1981) halten außerdem fest, dass die Geschlechtsöffnung der Weibchen in allen untersuchten Fällen während der Dauer der Trächtigkeit fest verschlossen war. Sie wurde nur bei Weibchen geöffnet vorgefunden, die (wie an leeren Follikeln im Eierstock feststellbar) kurze Zeit vorher Junge geboren hatten. In der Geschlechtsöffnung vorhandene Spermien deuteten in mehreren Fällen darauf hin, dass kurz vorher Kopulationen stattgefunden hatten. BURNS & FLORES (1981) weisen daraufhin, dass die Geschlechtsöffnung bei solchen Weibchen oft entzündet, im Einzelfall sogar beschädigt, erschien.
Meine Beobachtungen bei der Haltung von A. anableps zeigten, dass die einzigen Phasen, zu denen zwischen den Tieren ein erwähnenswertes Maß an aggressiven Verhaltensweisen beobachtet werden konnte, die Zeitpunkte waren, wenn Weibchen unmittelbar kurz nach der Geburt von Jungen zum restlichen Bestand der Tiere zurückgesetzt wurden. Die möglichen Schlüsse hieraus wären, dass Vieraugenfischweibchen vermutlich unmittelbar nach erfolgter Geburt erneut besamt werden und ihre Geschlechtsöffnung die übrige Zeit verschlossen bleibt. Möglicherweise erfährt die immer als überaus heftig zu beschreibende sexuelle Aktivität der Vieraugenfischmännchen in Gegenwart eines Weibchens, das gerade geboren hat, noch eine deutliche Steigerung, so dass die Männchen dann in aggressiver, ja bedrohlicher Form bemüht sind, erfolgreich zur Fortpflanzung zu kommen.
Offen bleibt die auch von BURNS & FLORES (1981) angedeutete Frage, wie es zur Erstbefruchtung eines Weibchens kommt, da die Geschlechtsöffnung von Weibchen, die noch nie geboren hatten, immer geschlossen gefunden wurde.
Als weitere wichtige Beobachtung halten BURNS & FLORES (1981) zwei von ihnen festgestellte Fälle von Superfötation fest, also Embryonengruppen in deutlich unterschiedlichen Entwicklungstadien im Ovar eines Weibchens.
3.3 Modifikationen im Körperbau zur besseren Versorgung der Embryonen
TURNER (1938,1940) beschrieb in detaillierter Weise die speziellen Modifikationen im Aufbau der Ovarien der trächtigen Weibchen und im Körperbau der Embryonen, die die Versorgung der Embryonen mit Nährstoffen und mit Sauerstoff sicherstellen und verbessern.
In den Ovarien der Anableps-Weibchen vergrößern sich bereits während der vorhergehenden Trächtigkeit die Eizellen, deren Befruchtung später zur nächsten Trächtigkeit führt (BURNS & FLORES 1981). Die reifen Eizellen werden dann im Ovar im Follikel befruchtet. Der Stoffaustausch zwischen Muttertier und Embryonen im modifizierten Follikel wird durch verschiedene spezielle Anpassungen besonders gefördert. Die stark durchbluteten Wände des Follikels erfahren eine außerordentliche Oberflächenvergrößerung durch die Ausbildung von Zotten, die in den Innenraum des Follikels hineinragen. Dies ermöglicht einen besonders intensiven Stoffaustausch mit der Flüssigkeit im Follikelraum. Gleichzeitig erfährt der „Bauchsack" des Embryos, der von TURNER (1938) noch als Dottersack bezeichnet wird, aber keineswegs die „übliche Funktion" des Vorratsbehälters erfüllt, ebenfalls eine besondere Oberflächenvergrößerung in Form von gefäßreichen Ausbuchtungen. Der „Bauchsack", der mit einer Vielzahl von Blutgefäßen mit solchen Ausbuchtungen durchzogen ist, entwickelt sich recht schnell zu beachtlicher Größe und wird erst gegen Ende der Trächtigkeit, kurz vor der Geburt der Jungfische zurückgebildet (Abb. 4). Zotten der Follikelwand finden sich in besonders großer Zahl in genau dem Bereich, der dem „Bauchsack" des Embryos gegenüberliegt. KNIGHT & al. (1985) vergleichen die Weise, in der eine einzelne Ausbuchtung des „Bauchsacks" in eine Einbuchtung der Follikelwand eingepasst ist mit dem Ineinandergreifen eines Kugelgelenks.
Durch die Gesamtheit dieser Strukturen, die TURNER 1940 noch als „follikulare Pseudoplazenta" bezeichnet (spätestens seit KNIGHT & al. (1985) ist die Bezeichnung „follikulare Plazenta" gebräuchlich), wird wahrscheinlich ein besonders intensiver Stoffaustausch gewährleistet, der auch dem Abtransport von Stoffwechselendprodukten dienen könnte.
TURNER (1940) weist auf die vergleichsweise geringe Größe des Dottersacks bei Anableps-Embryonen hin. Der „Bauchsack" ist eine in dieser Form ungewöhnliche Ausbuchtung der Leibeshöhle und des Herzbeutels. Auf der Außenwand dieses Bauchsacks finden sich die bereits erwähnten, stark durchbluteten gefäßreichen Ausbuchtungen in großer Zahl. Innen ist er fast völlig angefüllt mit dem Darm des Embryos, der sich bei A. anableps im mittleren Bereich außerordentlich verlängert (Abb. 5), und sich bei A. dowi im hinteren Bereich ballonförmig vergrößert. Diese Vergrößerung entwickelt sich erst unmittelbar vor der Geburt zurück. TURNER (1940) geht davon aus, dass auch diese spezialisierten Strukturen der Oberflächenvergrößerung und damit dem verbesserten Stoffaustausch dienen. KNIGHT & al. (1985) halten es für wahrscheinlich, dass Follikelflüssigkeit, die mit der Follikelwand im Austausch steht, und daher Nährstoffe enthält, auch in den Darm aufgenommen wird. Damit würde auch die innere Oberfläche des Darms des Embryos im Dienst des Stoffaustausches stehen.
Als Anzeichen eines besonders hohen und effizienten Nährstofftransports vom mütterlichen Körper zu den Embryonen bei A. anableps und A. dowi werten KNIGHT & al. (1985) die außergewöhnliche Zunahme des Gewichts der Embryonen. Einer Gewichtszunahme um 17000 % z.B. bei Goodeiden, stellen sie die Zunahme von 298000 % bei A. anableps und 893000 % bei A. dowi gegenüber.
Kurz vor der Geburt muss sich die Bauchdecke über dem zurückgebildeten Darm schließen. Eine der Komplikationen bei der Zucht von Anableps anableps kann darin bestehen, dass die Geburt vorzeitig stattfindet und die Bauchwand der neugeborenen Jungfische noch nicht völlig geschlossen ist (Abb. 6).
Die Fortpflanzungsbiologie der Vieraugenfische hat also eine Reihe von Besonderheiten aufzuweisen, die sie teilweise mit den Poeciliidae gemeinsam haben (Begattungsorgan, „follikulare Plazenta"), die sie aber auch von diesen unterscheiden („Bauchsack", Darmvergrößerung).
4. Zucht von Anableps anableps
Über die Zucht von Vieraugenfischen liegen nur wenige Erfahrungsberichte vor, die sich alle mit A. anableps befassen. Die Zucht ist aber wohl in öffentlichen Aquarien nicht selten und vereinzelt, wie z. B. bei mir, auch bei privaten Aquarianern gelungen.
Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zucht lassen sich vielleicht am besten in einem Vergleich meiner persönlichen Erfahrungen (ZURLO 1985a, b) mit dem Erfahrungsbericht aus der Stuttgarter Wilhelma (JAUCH 1987) darstellen. Die von mir bereitgestellten äußeren Bedingungen definieren bei den räumlichen Verhältnissen vielleicht ein Minimum (Aquarium 135 x 95 x 50 cm, später 200 x 50 x 50, bei einem Wasserstand von 35 cm), die in der Wilhelma vorhandenen Möglichkeiten wohl schon ein Optimum (12 bzw. 6 m2 Wasseroberfläche). Der zeitweisen Schreckhaftigkeit und der Schnellkraft der Fische muss Rechnung getragen werden. Die Fische sind bei mir ständig in Brackwasser gehalten worden (mit schwankendem Salzgehalt) und ich nahm an, dass dies zur Dauerpflege notwendig sei, auch wenn keine unmittelbare Empfindlichkeit gegenüber Süßwasser festzustellen war und selbst gravierende Schwankungen des Salzgehalts problemlos verkraftet wurden.
NEETEN (1990) berichtet jedoch von der erfolgreichen Haltung und Zucht von A. anableps im Süßwasser. Reichliche und abwechslungsreiche Fütterung mit allen aquaristisch üblichen Futterarten macht entsprechend häufige Wasserwechsel nötig. Beides sind wichtige Voraussetzungen für einen Zuchterfolg. Bei Jungtieren, deren Afterflosse noch nicht modifiziert ist, dürfte ein Minimum von acht Fischen nötig sein, um erfolgreiche Kopulationen nach erreichter Geschlechtsreife sicherzustellen (Abb. 7). Die Kopulationsversuche von A. anablebs habe ich (ZURLO 1985b) schon einmal beschrieben: „Begattungsversuche der Männchen gehen meist so vor sich, dass sich das männliche Tier seitlich an das Weibchen herandrängt, es dann weiter seitlich mit der gesamten Körperbreite durch das Wasser schiebt, selbst den ganzen Körper S-förmig krümmt und gleichzeitig mit dem im Halbkreis zur Seite gebogenen Begattungsorgan die Geschlechtsöffnung des Weibchens sucht. Erfolgt die Begattung, so wird die Öffnung mit dem Ende des Organs betupft, wobei der Samen ausfließt." (Abb. 8) Zur Klärung der Frage, ob diese vereinfachte Darstellung auch den Verlauf einer erfolgreichen Kopulation beschreibt, sind aber noch weitere Beobachtungen notwendig, wie sie sich z.B. bei MATTIG & GREVEN (1994) finden. Diese Autoren beobachteten Kontraktionen des Gonopodiums und vermuten, dass dabei der Samenleiter in die Geschlechtsöffnung des Weibchens eindringt.
Mit einiger Erfahrung kann der Züchter den Zustand der Trächtigkeit etwa zwei bis drei Wochen nach einer erfolgreichen Begattung an dem sich rundenden Leib des Weibchens feststellen (Abb. 9). Nach weiteren drei Monaten, also einer Gesamtträchtigkeitsdauer von etwa 14 Wochen, erfolgt die Geburt.
Lässt man die Muttertiere bis dahin im Aquarium mit den übrigen Vieraugenfischen, ist ein Überleben der Jungtiere die Ausnahme. Vermutlich werden sie von den übrigen Tieren gejagt und gebissen. Zuchterfolge sind mir in der großen Mehrzahl dann gelungen, wenn ich die Muttertiere unmittelbar nach den ersten Anzeichen der Trächtigkeit in ein separates Becken von 80 x 50 x 30 cm bei einem Wasserstand von etwa 5 cm umquartiert habe. In der Wilhelma, Stuttgart wurden zu diesem Zweck Behälter von 150 x 100 x 80 cm benutzt. Das Wasser in diesem Becken stammte bei mir vollständig aus dem Haltungsbecken und wurde dann in kleinen, täglichen Portionen mit reinem Seewasser auf einen Wasserstand von 20 cm aufgefüllt. Bei Bedarf wurde auch durch weitere Wasserwechsel die Belastung des Aquarienwassers möglichst gering gehalten. In diesem Aquarium erfolgte dann die Geburt fast immer komplikationslos. Die Zahl der Jungfische, die von meinen A. anableps-Weibchen geboren wurden, lag zwischen ein und sieben Tieren. Die Jungfische waren bei der Geburt 4 bis 5 cm und wurden separat aufgezogen, bis sie etwa 7 cm maßen. Dies geschah im selben Aquarium, in dem sie geboren waren. Aus dem Behälter wurde nach der Geburt eine große Menge Wasser entfernt, und später wurde durch Zufügen von Süßwasser das Aquariumwasser wieder auf einen geringeren Salzgehalt, also auf Brackwasser, zurückgeführt. Bei einer Größe von 7-8 cm konnten die Jungfische zu den Alttieren gesetzt werden. Dort wuchsen sie dann bei den Elterntieren und in Gesellschaft von Oxyzygonectes dowi (Abb. 10) heran.
Trotz der unterschiedlichen Fortpflanzungsweisen geht PARENTI (1981) davon aus, dass diese eierlegenden Zahnkarpfen mit den Vieraugenfischen recht nah verwandt sind. Mit den ersten Jungfischen von A. anableps konnte ich später auch in zweiter Generation weitere Nachzuchten erhalten. Darüber, ab wann A. anableps geschlechtsreif werden, kann ich, mangels Aufzeichnungen, keine Angaben machen.
In fast allen weiteren Bereichen bestätigen sich meine Beobachtungen und die von JAUCH (1987) gegenseitig. Dies betrifft allerdings nicht die Erfahrungen mit Erkrankungen der Vieraugenfische. Während die dort beschriebene, vermutlich bakterielle Infektion in meinem Bestand nicht auftrat, verlor ich letztlich meine sämtlichen Tiere durch Befall mit Fräskopfwürmern.
Literatur
BURNS, J.R. & FLORES, J.A. (1981): Reproductive biology of the Cuatro Ojos, Anableps dowi (Pisces: Anablepidae) from El Salvador and its seasonal variations. Copeia 1981: 25-32
BURNS, J.R. (1991): Testis and Gonopodium development in Anableps dowi (Pisces: Anablepidae) correlated with pituitary gonadotropic zone area. J. Morphol. 210: 45-53
JAUCH, D. (1987): Breeding the common foureyed fish Anableps anableps at the Stuttgart Zoo. Int. Zoo/. Yearbook26: 64-70
KNIGHT, F.M., LOMBARDI, J., WOURMS, J.P. & BURNS, J.R. (1985): Follicular placenta and embryonic growth of the viviparous four-eyed fish (Anableps). J. Morphol. 185: 131-142
MATTIG S. & GREVEN,H., (1994): Beobachtungen zur Balz und Paarung des Vieraugenfisches Anableps anableps (ÜNNE, 1758) (Anablepidae, Cyprinodonti-formes). Z. Fischk. 2: 167-192
MEYER, M.K., WISCHNATH, L. & FOERSTER, W. (1985): Lebendgebärende Zierfische. Mergus, Meile
NEETEN, P., (1990): Vieraugenzucht (Anableps anableps) im Süßwasser. Löbbecke Museum & Aquazoo Düsseldorf, Jahresband 1990: 110-112
OTT, G. (1978): Begegnung mit Anableps anableps (ÜNNE 1758), dem Vierauge. DA TZ 31: 193-195
PARENTI, L. R. (1981): Aphylogenetic and biogeogra-phic analysis of cyprinodontiform fishes (Teleostei, Atherinomorpha), Bull. Am. Mus. Natur. H/st. 168: 335-557
TAYLOR, E. C. (1980): Anableps - the amphibious livebearer, Part One & Part Two. Freshwater and Marine Aquarium 3(11): 16-19, 85-92; 3(12): 15-19, 88-93
TURNER, C.L. (1938): Adaptations for viviparity in embryos and ovary of Anableps anableps. J. Morphol. 62: 323-349
TURNER, C.L. (1940): Follicular pseudoplacenta and gut modifications in Anablepid fishes. J. Morphol. 67: 91-105
TURNER, C.L. (1950): The skeletal structure of the gonopodium and gonopodial Suspensorium of Anableps anableps. J. Morphol 86: 329-365
ZURLO, G. (1985a): Vieraugenfische. Pflege und Zucht von Anableps-Arten. (Teil 1). DATZ 38: 113-115
ZURLO, G. (1985b): Vieraugenfische. Pflege und Zucht von Anableps-Arten. (Teil 2). DATZ 38: 175-176
Zuerst veröffentlicht in:
Fortpflanzungsbiologie der Aquarienfische, Hartmut Greven, Rüdiger Riehl
Bornheim: Schmettkamp, 1995